Steuerhinterziehung / Schwarzgeld / Auslandskonten / Bank-CD-Ankäufe / Selbstanzeige / Drama der Tatentdeckung

Verfasser: Udo Sträter, Steuerberater

 

Aktueller Ausblick
Wohin läuft das deutsche Steuerstrafrecht? Zumindest in eine Verschärfung. Selbstanzeigen werden teurer, die Offenbarungszeiträume auf 10 Jahre verlängert (Welt am Sonntag v. 11.05.14).
Focus-Money (Nr. 20/2014) warnt: „Jetzt wird es ernst“.
Ca. 17000 Selbstanzeigen bereits in den ersten 4 Monaten 2014!!


Dieser Aufsatz wurde kurz vor Beginn des Gerichtsverfahrens gegen Uli Hoeneß veröffentlicht. Die hier vertetenen rechtlichen Aussagen und Empfehlungen sind durch das Verfahren nicht eingeschränkt worden (Stand Februar 2014). Inzwischen sind die Bestimmungen zur Selbstanzeige in einzelnen Punkten geändert worden.


Der Aufsatz wird zur Zeit angepasst.




Inhaltsverzeichnis
 

  1. Vorbemerkung
  2. Vorgreifliche Prüfung: Die Herkunft der Mittel
  3. Verjährungsfristen
  4. Selbstanzeigezeitraum
  5. Brennpunkt Vollständigkeitsgebot
  6. Strafverfahren nach Selbstanzeige / Fall Hoeneß
  7. Unklare Grundlagen: Schätzung
  8. Wer zu spät kommt…: Tatentdeckung
  9. Strafmaß
  10. Beratungskosten steuerlich abzugsfähig?


1. Vorbemerkung

Seit der Fall Uli Hoeneß mit vielen Kommentaren und Spekulationen durch die Presse geht, wird manchem mit Bedenken deutlich, dass bei einer „Selbstanzeige“ offensichtlich leicht etwas schief gehen kann. Im Internet schreibt die Süddeutsche Zeitung, dass ein leitender Steuerfahnder im Ruhestand bei der Selbstanzeige geholfen hat.
Bild am Sonntag vom 23. Juni 2013 S. 03 berichtet, dass der langjährige Freund von Uli Hoeneß, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Günter Ache, die erste Selbstanzeige eingereicht hat. Allerdings fehlerhaft und damit wurde ein Drama für Uli Hoeneß ausgelöst:
Die später von einer anderen Kanzlei eingereichte berichtigte Selbstanzeige dürfte nämlich nach der Gesetzeslage keine Heilung bewirken, so dass die Straffreiheit durch den Fehler endgültig verwirkt sein dürfte. Die Presse wird sicherlich Weiteres über das Verfahren berichten.
Am 10.03.2014 beginnt der Strafprozess gegen Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II (zum Strafrahmen bei einer Verurteilung und zur Verteidigungstaktik siehe unten Abschnitt 9. „Strafmaß“).

Die Bedenken sind also durchaus berechtigt angesichts des allgemein bekanntgewordenen Desasters von "verunglückten Selbstanzeigen", unzulässigen Nachbesserungen und der weiterbestehenden Bestrafungsgefahr. Was ist hier die Kernproblematik?
Der Betroffene hat – gesetzlich neu festgeschrieben – nur einen einzigen Schuss in der Büchse. Und der muss absolut sitzen.
Danach ist es vorbei mit Heilungsversuchen (s. unten).

Es ist für die Beratung ein großer Fundus von Einzelfallwissen erforderlich.
Insbesondere über die „Spitzfindigkeiten“ aus einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. Mit allgemeinen akademisch-dogmatischen Grundaussagen ist nicht viel auszurichten. Das reicht nicht.

Im Übrigen bewegt sich politisch aktuell erneut etwas in der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Die EU hat beschlossen, das Bankgeheimnis möglicherweise praktisch abzuschaffen und einen automatischen Austausch international unter den Behörden zu verwirklichen.
CSU-Chef Seehofer geht dem Vernehmen nach noch einen Schritt weiter und möchte die strafbefreiende Selbstanzeige auf Bagatellfälle begrenzen. Welche Größenordnungen? Alles offen. In neuesten Äußerungen der Regierungsparteien verstärken sich die Forderungen nach weiteren Einschränkungen der Strafbefreiung durch Selbstanzeige (TV-ARD-Tagesschau am 05.02.2014).
Hier liegt dringender Handlungsbedarf vor, zumindest dringender Anlass, die eigene Situation exakt analysieren zu lassen. Vergleiche bereits Welt am Sonntag, 26. Mai 2013: "Letzte Chance für Steuersünder".
Denn diese sich verschärfend aufladende „Karawane zieht weiter, der Sultan hat Durst“. So ein bekannter deutscher Schlager.

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2. Vorgreifliche Prüfung: Die Herkunft der Mittel

Die erste Pflichthandlung liegt darin, dass der Steuerberater den gesamten steuerlichen Hintergrund zunächst umfassend aufklärt:

Das ergibt sich zum einen aus dem durch den Bundesgerichtshof und den Gesetzgeber in neuerer Zeit festgeschriebenen Vollständigkeitsgebot für strafbefreiende Selbstanzeigen (s. unten).

Zum anderen ergänzend daraus, dass üblicherweise der Steuerpflichtige selbst als Laie aus seiner Sicht oftmals einseitig nur auf die vordergründige Tat, z.B. nicht deklarierte Einkünfte auf Auslandskonten, fokussiert ist.
Das Finanzamt bohrt aber energisch nach, woher überhaupt die Gelder kommen.
Nach den Presseberichten im Fall Hoeneß ist auch hier die Spekulation offen: Welcher rechtlicher Natur waren die Kapitalzuflüsse vom ehemaligen Adidas-Vorstand, die dann auf geheimen Auslandskonten schlummerten und Erträge abwarfen.
Handelt es sich bei dem Geld um Darlehen, um Schenkungen, Provisionen oder anderes?
Wenn man die Presse liest, dürfte demnächst in den Medien auch im Fall Hoeneß die rechtliche und steuerliche Einstufung der Mittelherkunft zur Diskussion gestellt werden.
Ebenso wie beispielsweise bei den vor Jahren hochgekommenen Parteispendenaffären der Politprominenz.

In der finanziellen Hintergrundebene als vorgreiflichem steuerlichem Gefechtsfeld liegt oftmals mehrschichtiges strafrechtliches Risikopotenzial, das größer und brisanter sein kann, als die zunächst nur vordergründig isoliert im Blickfeld liegenden verschwiegenen Erträgnisse.

Für diese hintere Reihe der Mittelherkunft sind die Fragen sowohl der Steuerverjährung als auch der Strafverfolgungsverjährung, der Möglichkeit einer Selbstanzeige und der Vollständigkeitsvoraussetzung (zu alledem siehe nachfolgend) sorgfältigst zu prüfen und in der Beratung dem Mandanten in allen Facetten darzulegen.

Hier liegen also bei Selbstanzeigen die ersten „Tretminen“, die der steuerliche Berater unbedingt erkennen muss.
Es geht dabei auch um erweiterte Steuerrisiken aus Wechselwirkungen nicht nur bei den Ertragsteuern, sondern bei der Umsatzsteuer oder gar bei der Schenkungsteuer. Und um damit evtl. zusammenhängende sonstige Straftaten.

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3. Verjährungsfristen

Es muss klar unterschieden werden zwischen der steuerlichen Verjährung und der Strafverfolgungsverjährung (also der eigentlichen Bestrafung).

3.1 Die steuerliche Verjährung:

Für (bewusst und gewollt) hinterzogene Steuern gilt eine steuerliche Verjährungsfrist von zehn Jahren.
Bei nur grob fahrlässig (= leichtfertig) verkürzten Steuern beträgt die steuerliche Verjährungsfrist fünf Jahre.
Die normale steuerliche Verjährungsfrist beträgt vier Jahre (für die im vorliegenden Beitrag behandelten Steuern).

Diese steuerlichen Verjährungsfristen beginnen jeweils (einzeln) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die betreffende Steuererklärung abgegeben wurde.
Spätestens mit Ablauf des dritten Jahres nach dem Jahr der Steuerentstehung.
Bei Nichtabgabe gesetzlich vorgeschriebener Steuererklärungen greift diese Dreijahresfrist.

Für den gesamten steuerlich noch nicht verjährten Zeitraum von zehn bzw. fünf Jahren sind die Steuern grundsätzlich auch bei einer Selbstanzeige zu entrichten, also über den Selbstanzeigezeitraum hinaus. Zu den Ermittlungsproblemen s. nachstehend.
Das Kapital dafür sollte im Falle der Selbstanzeige unbedingt zumindest für den Selbstanzeigezeitraum in voller Höhe schon bereitstehen, da Stundungen nach den gesetzlichen Vorgaben für die strafbefreiende Wirkung nur in ganz speziellen Ausnahmesituationen möglich sind. Sonst greift ausdrücklich die Strafbefreiung nicht. Wer dieses Geld also nicht hat, bekommt strafrechtlich ein Problem aus der Selbstanzeige. Also ansparen bzw. Geld beschaffen! Zinsen von 6 % p. a. nicht vergessen!

Eine Besonderheit der Verjährung speziell für eine eventuelle Schenkungsteuer ist den Steuerpflichtigen in der Regel nicht bekannt:
Diese Steuer verjährt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Finanzamt von der Schenkung Kenntnis erlangt oder im Todesfall des Schenkers.
Von diesem Zeitpunkt an beginnt die Verjährung wie oben nach Jahresablaufprinzip. Also vierjährige Verjährungsfrist und bei Hinterziehung wegen unterlassener Schenkungsmeldung die zehnjährige Verjährungsfrist (strafrechtlich gilt etwas anderes, siehe nachfolgend 3.2).

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3.2 Die strafrechtliche Verjährung

Die Strafverfolgungsverjährung beträgt bei Steuerhinterziehungen im „Normalfall“ fünf Jahre, beginnend mit der Tatbeendigung (s. dazu unten).
Nach einer verschärfenden gesetzlichen Neuregelung und darauf aufbauender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt aber bei einer widerrechtlich erreichten Steuererstattung i.H.v. mehr als 50.000,00 € pro Einzeltat eine Strafverfolgungsverjährung von zehn Jahren. Ebenso bei einer durch die Steuerhinterziehung unterbliebenen Steuerzahlung von mehr als 100.000,00 €.

Diese verschärfende Verlängerung der Strafverfolgungsfrist auf 10 Jahre gilt für alle einzelnen Steuerstraftaten, die bis zum 25.12.2008 noch nicht strafverfolgungsverjährt waren (neue Rechtslage).

Wenn zwar eine rechtzeitige aber gleichwohl falsche Steuererklärung für Ertragsteuern eingereicht wurde, liegt die Beendigung für die Einzeltat und somit auch der Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung für die Einzeltat anders als bei der steuerlichen Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem der erste Steuerbescheid für das jeweilige Kalenderjahr mit der zu niedrig festgestellten Steuer tatsächlich beim Steuerpflichtigen eingegangen ist.

Bei den sogenannten Fälligkeitssteuern dagegen (Umsatzsteuer, Lohnsteuer) ist Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung grundsätzlich der Tag, an dem die rechtzeitige unrichtige Erklärung beim Finanzamt eingereicht wird. Besonderheiten gelten bei Erstattungen.

Wenn eine Steuererklärung überhaupt nicht eingereicht wird, liegt z. B. bei den Ertragsteuern die Tatbeendigung und damit der Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung nach vorherrschender Ansicht in dem Zeitpunkt, in dem das zuständige Finanzamt im betreffenden Veranlagungsbezirk die Veranlagungsarbeiten zu etwa 95% abgeschlossen hat. Dies folgt aus dem Strafrechtsprinzip in dubio pro reo.
Wichtig: Zur Tatbeendigung und somit zur Strafbarkeit kann es aber überhaupt nicht mehr kommen, wenn z. B. vor 95%iger Erledigung der Veranlagungsarbeiten bereits ein Strafverfahren wegen Nichtabgabe vom Finanzamt (voreilig) eingeleitet worden ist. Dann hat der Betroffene Glück gehabt.
Komplizierter liegen die Fälle, in denen das Finanzamt einen Bescheid mit Schätzungen erlässt (zu Einzelheiten wird verwiesen auf Beispiele bei Simon / Vogelberg, Steuerstrafrecht, 3. Auflage, Kapitel 6, Tz. 3.2.2.). In diesen Fällen sofort den Berater einschalten, hier wird es subtil.

Bei den genannten Fälligkeitssteuern (Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen) ist Tatbeendigung aus unterlassener Einreichung der Steueranmeldung und damit strafrechtlicher Verjährungsbeginn der Ablauf des Fälligkeitstages.
Wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen richtig und vollständig abgegeben, ist das Unterlassen der Jahreserklärung kein Straftatbestand mehr.
Eine falsche nachgereichte Umsatzsteuerjahreserklärung ist für sich gesehen nach allgemeiner Rechtsauffassung keine zusätzliche Straftat wenn bereits die Voranmeldungen die gleiche Unrichtigkeit enthielten.

Eine subtile Besonderheit bei der Umsatzsteuer wegen des im Steuerstrafrecht geltenden "Kompensationsverbotes":
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes soll bei der Umsatzsteuer sogar eine Kompensation zwischen falsch deklarierter Mehrwertsteuer auf die Erlöse und falsch deklarierter Vorsteuer unzulässig sein.
Dieses Rechtsprinzip spielt zwar in der Praxis nur ein Schattendasein. Aber es birgt bei Nichtbeachtung gleichwohl ein konkretes Strafrechtsrisiko. Die gedankliche Saldierung nach dem Motto: „Das Finanzamt bekommt ja ohnehin im Saldo, was ihm zusteht“, ist strafrechtlich unzulässig.

Für die Schenkungsteuer liegt die Hinterziehung darin, dass die gesetzlich vorgeschriebene Meldung an das Finanzamt nicht eingereicht wird. Für die Einreichung gibt es lediglich eine Frist von drei Monaten ab erfolgter Schenkung.
Der Bundesgerichtshof nimmt die Tatbeendigung und den Beginn der Verfolgungsverjährung einen Monat nach Ablauf der steuerlichen Anzeigefrist, also vier Monate nach Schenkung, an (BGH 25.7.2011). Wohlgemerkt nur für die Strafverfolgung!

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4. Selbstanzeigezeitraum

Eine korrekte strafbefreiend wirkende Selbstanzeige muss sich zeitlich auf alle noch nicht strafrechtlich verfolgungsverjährten einzelnen Hinterziehungstaten für eine bestimmte Steuerart beziehen.

Es kommt dafür nicht auf die steuerlichen Verjährungsfristen an, sondern auf Fristen der Strafverfolgungsverjährung für die einzelnen Taten (s. dazu oben 3.2) von fünf Jahren (Normalfall) oder zehn Jahren (mehr als 50.000,00 € Erstattungen oder mehr als 100.000,0 € Nachzahlungen). Diese Einzeltaten sind zeitlich von der Selbstanzeige voll zu erfassen. Sonst scheitert die gesamte Strafbefreiung der Selbstanzeige.

 

 

5. Brennpunkt Vollständigkeitsgebot

Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und anschließender gesetzlicher Bekräftigung ist es nicht mehr ausreichend, sich einzelne Teile einer Hinterziehung herauszupicken und diese gegenüber dem Finanzamt durch eine Selbstanzeige schon einmal zu bereinigen mit der Maßgabe, später eventuell noch etwas nachzulegen oder einfach weiteres abzuwarten.

Für die strafbefreiende Wirksamkeit ist es erforderlich, dass alle strafrechtlich noch nicht verjährten verschiedenen Steuersachverhalte einer bestimmten Steuerart, (z. B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, oder Umsatzsteuer pro Jahr) vollständig offen gelegt werden.
Sogar Sachverhalte, die innerhalb der Steuerart miteinander nicht in unmittelbarer Beziehung stehen. Z. B. nicht deklarierte Erträgnisse auf Auslandskonten sowie gleichzeitig verschwiegene Gewinne aus gewerblicher Betätigung des betroffenen Steuerpflichtigen.
Auch dies könnte im Fall Hoeneß zu einem besonderen Verdacht des Finanzamtes geführt haben, wenn man die Presseäußerungen über die Herkunft der "Spiel-Millionen" aus Mitteln des ehemaligen Adidas-Chefs begrübelt.
Wird gegen dieses sachliche Vollständigkeitsgebot verstoßen, ist die gesamte Selbstanzeige unwirksam und fällt ins Wasser.

Ist die Selbstanzeige nach diesen Anforderungen wegen Unvollständigkeit danebengegangen, spricht man von einer "verunglückten Selbstanzeige".
Und dann ist der einzige Schuss, der gesetzlich überhaupt in der Büchse war, vertan worden.
Ein zweites Mal gibt es nicht. Also keine Heilung, keine Strafbefreiung.

Der Bundesgerichtshof hat am 25.07.2011 entschieden, dass geringfügige Abweichungen die Selbstanzeige nicht unwirksam machen. Ein genauer Prozentsatz für alle Fälle lässt sich nach Auffassung des Gerichts aber nicht festlegen. Es kommt auf die Einzelumstände an.
Maximal dürfen die Abweichungen von der tatsächlichen Steuer aber nur 5 % betragen.
Daher größte Vorsicht bei Schätzungen "über den Daumen".

Es muss so sorgfältig aber so großzügig wie möglich nach oben geschätzt werden, dass bei der späteren endgültigen Veranlagung eine Differenz unbedingt in dieser vorgenannten Maximalgrenze von 5 % liegt.
Daher immer so hoch schätzen, dass die spätere endgültige Veranlagung auf keinen Fall zu einer zusätzlichen Nachzahlung gegenüber der Selbstanzeige führen kann.
Die Möglichkeit eines Einspruches gegen den nun überhöhten Steuerbescheid ist dennoch gegeben. Es kann also verfahrensrechtlich kein Schaden durch eine bei der Selbstanzeige zu hoch bemessene Schätzung entstehen.

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6. Strafverfahren nach Selbstanzeige / Fall Hoeneß

Entgegen vielfach der Presse zu entnehmenden Auffassungen stellt die Einleitung des Steuerstrafverfahrens nach einer Selbstanzeige gerade keine Besonderheit oder weitergehende „Grausamkeit“ dar. Das Finanzamt muss vielmehr zwingend so handeln, sonst könnte Strafvereitelung im Amt entstehen:

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 29.04.2008 sind die Strafverfolgungsbehörden ab Eingang einer Selbstanzeige nicht nur berechtigt, sondern gemäß dem Legalitätsprinzip (in der Strafprozessordnung ausdrücklich festgeschrieben) sogar verpflichtet, ein Strafverfahren zum Zweck der Prüfung dieser Selbstanzeige einzuleiten.
Der Eingang der Selbstanzeige führt nach Auffassung des Bundesfinanzhofes grundsätzlich zu einem Anfangsverdacht, der die Einleitung eines Strafverfahrens vorschreibt. Es gibt keine Ermessensfreiheit für das Finanzamt. Es muss zwingend handeln (§ 399 Abgabenordnung i. V. mit § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung).

Ein solcher Anfangsverdacht für die Verfahrenseinleitung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits vor, sofern "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" ersichtlich sind. Das ist der Fall, wenn "nach kriminalistischer Erfahrung die Möglichkeit besteht" dass eine verfolgbare Straftat begangen sein könnte. Den Ermittlungsbehörden steht zwar ein juristischer Beurteilungsspielraum zu. Aber kein Ermessen, kein Wahlrecht.
Die Einleitung des Strafverfahrens nach einer Selbstanzeige ist also generell zu erwarten. Darauf sollte der Berater den Mandanten hinweisen, um unnötige Überraschungen und Ängste zu vermeiden.
Also ein ganz normales zwingendes Vorgehen der Finanzverwaltung.

Übrigens was häufig unbekannt ist:
Jede auch interne Maßnahme des Finanzamtes, die Selbstanzeige überhaupt unter den strafrechtlichen Voraussetzungen zu überprüfen, gilt bereits gem. § 397 Abs. 1 AO als „Einleitung“ des Strafverfahrens. Somit rechtlich nur die zwingende Folge der Prüfung und Aufklärung.
Auch wenn dies in manchen kleinen und völlig klaren Fällen den Steuerpflichtigen nicht ausdrücklich mitgeteilt wird, gilt dennoch das Verfahren (still) Kraft Gesetzes bereits als eingeleitet.
Auch hierüber bestehen manche Irrtümer bei Laien und Fachleuten.
Sie brauchen also keine zusätzlichen Ängste zu bekommen, wenn nach einer korrekten strafbefreienden Selbstanzeige dennoch die Bekanntgabe der Einleitung Ihnen ins Haus flattert. Das Finanzamt muss die Richtigkeit überprüfen - und dafür hat Ihr Berater einzustehen (s. Fall Hoeneß).

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7. Unklare Grundlagen: Schätzung

Wenn für die Herkunft der Vermögensansammlungen als solchen keine glaubhaften oder durch Dokumente gestützten Erklärungen abgegeben werden können, verläuft dieser Bereich nicht etwa im Sande.
Vielmehr läuft das Finanzamt zu großer Form auf, da nach den strafrechtlichen und steuerrechtlichen Grundsätzen die Berechtigung besteht, die Verhältnisse sodann zu schätzen.
Und dafür hat sogar der Bundesfinanzhof in seiner Rechtsprechung den Freibrief erteilt, dass derartige Schätzungen im steuerlichen Festsetzungsverfahren bis an die Obergrenze des Wahrscheinlichkeitsrahmens gehen dürfen (strafrechtlich gilt das aber nicht, s. nachfolgend).

In der Praxis neigen die Finanzämter naturgemäß dazu, diesen Rahmen so extrem auszuschöpfen, dass die Grenzen nach den eigenen höchstpersönlichen Kenntnissen des Steuerpflichtigen sogar weit überschritten sind.
Damit wird der Steuerpflichtige in Handlungs- und Beweisnöte gebracht.
Eine hohe oder sogar weit überhöhte Steuer wird festgesetzt und eine zumindest vorläufige Aussetzung der Steuerzahlung nach den Sondervorschriften der Abgabenordung (§ 361 Abs. 2) bis zur endgültigen Klärung abgelehnt, da die gesetzlichen Voraussetzungen mangels Vorlage von Beweismitteln in der Regel dafür nicht erfüllt sind.
Dies ist eine prekäre brisante Situation. Was also tun?

Hier sind jetzt wichtige Besonderheiten zu berücksichtigen:

Für die Zeiträume, die strafrechtlich noch nicht verjährt sondern strafanhängig sind, darf bei unklaren Sachverhalten zwar ebenfalls mit Schätzungen gearbeitet werden.
Allerdings hat die Rechtsprechung unter dem strafrechtlich allgemein geltenden Schutzgedanken in dubio pro reo verlangt, dass die Schätzungsergebnisse „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ feststehen müssen. Dies ist eine hohe Hürde für die Finanzverwaltung in der ihr aufgebürdeten Beweislast.
Darin liegt eine große Bedeutung.
Auch z. B. für die Verlängerung der rein steuerlichen Verjährungsfristen auf zehn Jahre (siehe oben): Wenn also ohne das Vorliegen eines Straftatbestandes (nachgewiesen durch eine „korrekte“ Schätzung) nur die normale – kürzere – steuerliche Verjährungsfrist von vier Jahren greifen würde.

Soweit es allerdings für das Finanzamt bei Schätzungen nicht darauf ankommt, einen Straftatbestand nachweisen zu müssen, sondern nur die normale Steuererhebung durchzuführen, ist für Schätzungen allerdings lediglich von der Genauigkeit auszugehen, die "mit größter Wahrscheinlichkeit" zutrifft. Das ist für die eigentliche Steuernachforderung des Finanzamtes eine geringere Hürde als die Beweispflicht des Staates im Strafverfahren, also insoweit eine Reduzierung der Beweislast des Finanzamtes zum Nachteil des Steuerpflichtigen. So die Konsequenz aus der steuerlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes.

Bei Abgabe einer Selbstanzeige sollte grundsätzlich eine ganz sorgfältige steuerliche Aufklärung dieses weitergehenden nur steuerlichen Hintergrundes durch den Berater vorgenommen werden.
Es sollten vollständig die möglichen Beweisunterlagen zusammengetragen werden, damit für die von der Selbstanzeige nicht berührten (also strafrechtlich zwar verjährten, steuerlich aber noch nicht verjährten) Zeiträume und Sachverhalte Unterlagen sofort bereitliegen, sobald das Finanzamt mit weiteren Aufklärungen über diese früheren, nicht offen gelegten, Steuersachverhalte beginnt.
Dem Betroffenen muss in diesem Rahmen bewusst sein, dass nach Eingang einer Selbstanzeige oftmals überraschend die Steuerfahndung zur Hausdurchsuchung erscheint (wie im Fall Hoeneß). Werden dabei Altunterlagen entdeckt, die außerhalb der Strafverfolgung liegen, aber noch innerhalb der nur steuerlichen Verjährungen von 10 Jahren (bei Hinterziehung), dann werden daraus natürlich Steuerbescheide und Steuernachforderungen entstehen.

Es muss vermieden werden, dass ein Aufklärungsverlangen des Finanzamtes auf einen teilweise sachlich unvorbereiteten Steuerpflichtigen oder steuerlichen Berater trifft.
Denn dann kann es durch Schätzungen und fehlende Beweismittel finanziell für den Steuerpflichtigen auch über den Selbstanzeigezeitraum hinaus ebenfalls ganz eng werden.

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8. Wer zu spät kommt…: Tatentdeckung / CD-Ankäufe u.s.w.

Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige tritt nicht mehr ein, wenn bereits eine Prüfungsanordnung oder Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben wurde, oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung oder Ermittlung erschienen ist.
Darüber hinaus tritt Straffreiheit nicht ein, wenn die Tat „ganz oder zum Teil“ bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste.

Der zuletzt genannte Hinderungsgrund der Tatentdeckung steht ganz aktuell im Focus der Öffentlichkeit im Hinblick auf die spektakulären Ankäufe von widerrechtlich hergestellten CD-Daten betreffend ausländische Bankdepots.
Zu beachten sind nachstehende wichtige Einzelheiten.

Für den Ausschluss der Strafbefreiung müssen zwei Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:
Die Tat muss als solche vom Finanzamt ganz oder nur zum Teil entdeckt sein und gleichzeitig muss der Steuerpflichtige aber auch bereits von dieser Tatentdeckung Kenntnis haben oder zumindest mit einer bereits erfolgten Tatentdeckung rechnen.
Das Finanzamt muss beides nachweisen.

Einige Autoren vertreten im steuerlichen Schrifttum die Auffassung, diese Voraussetzungen lägen bei CD-Ankäufen noch nicht vor.
Durch die Rechtsprechung ist dieser Fall bisher noch nicht konkret entschieden worden.

Es wird im steuerlichen Schrifttum berichtet, dass einzelne Finanzämter die strafbefreiende Wirkung einer nach dem CD-Ankauf vorgenommenen Selbstanzeige bestreiten.
In der FAZ vom 16.8.2012 wird auf eine solche Verwaltungspraxis der Finanzämter in Nordrhein-Westfalen hingewiesen. Vergleiche auch den Aufsatz von Mückenberger in Neue juristische Wochenschrift 2012 Seite 3481.
Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat in einer internen Verfügung vom 18.07.2012 (Praxis Steuerstrafrecht, Heft 10 aus 2012) eine sehr differenzierte Auffassung zum Datenkauf eingenommen und stellt auf „die Art und Weise der Verschleierung“ ab.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20.05.2010 ist die „Ausnahmevorschrift“ der Selbstanzeige restriktiv auszulegen.
Danach ist eine Tat bereits dann entdeckt, wenn (wörtlich)

„ das Vorliegen eines Sachverhaltes wahrscheinlich (ist), der die Aburteilung als Steuerstraftat oder - Ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde.
…Die Anforderungen an diese Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen schon deshalb nicht zu hoch angesetzt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss… Das besagt zunächst, dass hinreichender Tatverdacht nicht gefordert werden kann.
Die in § 170, § 203 STPO für einen hinreichenden Tatverdacht notwendige Prognose der Verurteilungswahrscheinlichkeit baut nämlich auf einem ausermittelten Sachverhalt auf.

Eine derartige Prognose lässt sich bei der Entdeckung der Tat- eine Entdeckung zum Teil genügt- noch nicht verlässlich stellen.
Die Entdeckung bildet vielmehr erst den Ausgangspunkt der dann gebotenen Ermittlungen…

Es genügt, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind…, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.“

So der Bundesgerichtshof am 20.05.2010 wörtlich.

Die Beschlussgründe können jedem mit CD-Datenankäufen oder Selbstanzeigeproblemen überhaupt konfrontierten Berater nur eindringlich zum sorgfältigen Studium und Überdenken empfohlen werden. Dann offenbart sich der ganze unsichere Anwendungsrahmen.
Denn er lässt den Rechtsanwender in solchen Fällen in verzweifelten Bedenken über die „richtige“ Auskunft und Raterteilung gegenüber seinem Mandanten zurück.
Also große Vorsicht mit einer Verharmlosung der Selbstanzeigewirkung gegenüber „nur“ CD-Ankäufen.

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9. Strafmaß

Die große Frage, die den Betroffenen umtreibt, ist die nach der Strafhöhe im Falle eines Falles.
Die Strafe richtet sich nach der Vielfalt der Umstände des Einzelfalls. Eine schematische Prognose ist nicht möglich.
Die aktuelle Rechtslage gibt aber gemäß den Auslegungen durch den Bundesgerichtshof (BGH vom 02.12.2008) folgenden Rahmen für Freiheitsstrafen vor:

  1. Hinterziehung bis 100.000,00 € oder erschlichene Erstattungen bis 50.000,00 € pro einzelner Tat:
    Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (im Regelfall bis zu zwei Jahren mit Bewährungsaussetzung) oder Geldstrafe, in Sonderfällen gem. Rechtsprechung auch beides.

    Mehr als 100.000,00 € Hinterziehung oder mehr als 50.000,00 € erschlichene Erstattung:
    Zwingend Freiheitsstrafe sechs Monate bis zu zehn Jahren. Bei Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist Bewährungsaussetzung möglich und wird weitgehend praktiziert.

    In der neueren Entscheidung vom 07.02.2012 hat der Bundesgerichtshof das Strafmaß etwas weitergehend ergänzt und präzisiert.
    So wird nunmehr in den Urteilsgründen unter Textziffer 29 folgendes ausgeführt:

    „... dass bei einem sechsstelligen Hinter­ziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein kann.
    Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Mil­derungs­gründe noch in Betracht.“

    (Unterstreichungen durch den Verfasser).

    Unter Textziffer 23 der Urteilsgründe wird noch ergänzt:

    „In Fällen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ... prüft das Revisionsgericht daher auch, ob die hierfür vom Tatgericht angeführten schuldmindernden Umstände von besonderem Gewicht sind.“
  2. Bei „Hinterziehung in Millionenhöhe“ kommt also eine Bewährungsaussetzung nur bei Vorliegen „besonders gewichtiger Milderungsgründe“ in Betracht.
    Darin liegt ein letztes kleines Schlupfloch, das auch im Fall Hoeneß die Strategie der Verteidigung werden könnte, oder bereits ist (z.B. die behauptete Spielsucht, Unkenntnis, menschlich entschuldbarer Irrtum bei der Selbstanzeige, Reue und andere sich summierende Milderungsgründe).
    Diese wird die Verteidigung von Uli Hoeneß zusammentragen müssen, um ein „besonders gewichtiges“ Ausmaß vorbringen zu können.

    Im Fall Hoeneß wird es strafrechtlich besonders interessant sein, ob das Gericht in einer „verunglückten Selbstanzeige“ überhaupt einen Strafmilderungsgrund anerkennt und ob sogar einen von „besonderem Gewicht“.
    Ich halte dies für nicht wahrscheinlich. Denn die Selbstanzeige ist lediglich ein „eiskalter Deal“ mit dem Staat. Es besteht dafür keinerlei Bezug zu irgendwelchen moralischen Bewertungen oder Ansprüchen. Es geht nur ums Geld. Diese Frage ist aber bisher nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Das Gericht muss im Fall Hoeneß ein Grundsatzurteil erlassen. Es ist daher anzunehmen, dass der Fall so oder so durch Revision am Bundesgerichtshof landen wird.
    Man darf gespannt sein.
  3. Für das vorstehend behandelte Strafmaß ist sorgfältig pro einzelner Tat vorgreiflich der Eintritt der Verjährung zu klären (unterschiedliche strafrechtliche Verjährungsfristen von 5 Jahren oder 10 Jahren, siehe oben unter Textziffer 3.2) und sodann auszurechnen, um welche betragsmäßigen Größenordnungen bei den noch nicht strafrechtlich verjährten Einzeltaten es geht.
    Die Presse wird im Fall Hoeneß hierzu Einzelheiten berichten.
  4. Darüber hinaus ist mit einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.05.2012 nochmals eindeutig geklärt und auch ausdrücklich ausgeprochen worden, dass bei mehreren Einzeltaten (z. B. mehrere Jahre Einkommensteuerhinterziehung) die Steuerverkürzungen speziell für das Strafmaß grundsätzlich addiert werden müssen, um die genannten Grenzen von 50.000,00 €, 100.000,00 € oder 1.000.000,00 € feststellen zu können (Gesamtstrafenbildung).
    Das Gericht hat bereits vorher in dem oben zitierten Urteil vom 07.02.2012 für die Strafzumessung eine Steuerhinterziehung „in Millionenhöhe“ (so der Leitsatz) zugrunde gelegt, obwohl die Einzeltaten, nämlich 892.715,00 € für 2002 und 240.870,00 € für 2006, die Millionenhöhe jeweils nicht ergeben.

    Insoweit ist die von Focus-Online am 15.01.2014 veröffentlichte gegensätzliche Auffassung von Rechtsanwalt Christian Hansen („Focus-Online-Experte“) unhaltbar.
    Ersichtlich hat er für die bisher im Schrifttum umstrittene Frage der Addition der Einzelstrafen zur „Millionenhöhe“ die vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 07.02.2012 und vom 22.05.2012 nicht in den Kernpunkt seiner Betrachtungen gestellt. Damit fällt seine Argumentation über die „Zerlegung“ der Hinterziehung in mehrere Teile für die Ermittlung der „Millionenhöhe“ und das daraus folgende Strafmaß in sich zusammen. Der Gedanke „Zerlegung“ bringt hierfür nichts mehr. Was strafrechtlich noch nicht verjährt ist, muss für die „Millionenhöhe“ addiert werden.
    Im Prozess gegen Hoeneß werden entgegengesetzte Überlegungen sicherlich nicht ernsthaft diskutiert oder gar berücksichtigt werden können.
  5. Das Finanzamt orientiert sich im außergerichtlichen Strafverfahren gern an verwaltungsinternen (also nicht allgemein veröffentlichten) Strafzumessungstabellen, die zwar rechtlich nicht bindend sind, aber im außergerichtlichen Strafverfahren zumindest eine Richtschnur für die Beantragung eines Strafbefehls und Verhandlungsargumente den Beteiligten in die Hand geben.
    Diese Tabellensätze sind regional unterschiedlich hoch.

    Zum Beispiel bei einer Hinterziehung in Höhe von 10.000,00 Euro sieht das verwaltungsseitige Strafmaß wie folgt aus:
    Hamburg 140 Tagessätze x Tages-Nettoeinkommen
    Berlin 120 Tagessätze x Tages-Nettoeinkommen
    Düsseldorf 80 Tagessätze x Tages-Nettoeinkommen
    Dem Verfasser liegt weiteres Tabellenmaterial der Finanzverwaltung vor.
    Der Bundesgerichtshof distanziert sich allerdings im Beschluss vom 02.12.2008 von einer solchen schematischen und quasi „tarifmäßigen“ Verhängung von Strafen.
  6. Nach einer neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.03.2013 ist ein verbindlicher „Deal“ in der bisherigen Form im Strafverfahren mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht nicht mehr zulässig.
    Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit seiner Entscheidung vom 27.01.1987 die Praxis der „informellen“ Absprache im Strafverfahren, den „Vergleich“, den „Handel mit der Gerechtigkeit“ deutlich gerügt.
    Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.03.2013 bekräftigt ultimativ die Unzulässigkeit dieser Verfahrensweise. Das Gericht verlangt ausdrücklich und allein Verständigungen in offizieller Form gemäß den engen und teilweise ziemlich unverbindlichen Grenzen des Verständigungsgesetzes (§ 257c Strafprozessordnung), verbunden in der Regel mit einem Geständnis (Sollvorschrift). Alle anderen Absprachen sind nach der Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes „untersagt“ (vergleiche dazu die sehr ausführliche Kommentierung der neuen Rechtslage von Prof. Dr. Altmeppen, Neue juristische Wochenschrift 2013 S. 1025 ff.). Eine danach unzulässige Absprache ist strafrechtlich unwirksam und zudem mit allen unangenehmen Konsequenzen verbunden, die sich aus nunmehr gezielteren Verdachtsumständen nach einem Geständnis dann natürlich ergeben (siehe zur Nichtigkeit sogar von Urteilen (!) in Fällen unwirksamer Absprachen Prof. Dr. Kudlich, Neue juristische Wochenschrift 2013 S. 3216 ff. sowie Oberlandesgericht München vom 17.05.2013, Neue juristische Wochenschrift 2013 S. 2371). Selbst wenn ein Verwertungsverbot für das Geständnis gesetzlich festgeschrieben ist, so bleibt es in den Köpfen der Richter unauslöschlich. Und schon haben wir das Dilemma mit Goethes -ironischer- Empfehlung in seiner Gedichtsreihe „Zahme Xenien / II“:
    „Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihr's nicht aus, so legt was unter.“
    Manche haben wohl seine Ironie nicht erkannt und nehmen's wörtlich.

    Vorsicht ist damit ebenfalls geboten für absprachebasierte Einlassungen gegenüber den Strafsachenstellen der Finanzämter, die bisher recht unbefangen praktiziert wurden. Hier wird die neuere Entwicklung der Verhaltensweisen zwischen den Beteiligten abzuwarten und zu beobachten sein. Die eindeutige gesetzliche Unwirksamkeit von Absprachen über das Strafmaß ist nunmehr ganz konkret zu bedenken. Geständnisse sind aber demgegenüber eine bedeutsame Realität.
    Bei finanzamtlichen Einigungen irgendwelcher Art oder angekündigten Maßnahmen der Finanzämter sollten Schuldeingeständnisse daher grundsätzlich vermieden werden.
    Der Beschuldigte kann eventuell andeuten, bei welchen Strafsanktionen er auf rechtliche Einwendungen verzichten will. Zum Beispiel allein wegen des Zeitaufwandes und der Kosten für eine sorgfältige Verteidigung.

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10. Beratungskosten steuerlich abzugsfähig?

Das Finanzgericht Hamburg hat mit Urteil vom 14.12.2011 die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bestätigt, wonach die Kosten der Strafverteidigung völlig unabhängig von der Schuldfrage bzw. einer Verurteilung steuerlich nur als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den betreffenden Einkünften abzugsfähig sind. Voraussetzung ist, dass der „strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist… Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit erklärbar sein.“
Das Gericht spricht dann erweiternd auch von einer Veranlassung durch die „Einkünfteerzielung“.

In Fällen der Ertragsteuerhinterziehung, dem wohl häufigsten Fall, dürfte die Abzugsfähigkeit damit in den meisten Fällen unstreitig sein.
Im Ergebnis so auch eine neue Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 05.12.2012 und schließlich die Bekräftigung dieser Rechtslage durch die neueste Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 16.04.2013.
Eine alternative steuerliche Absetzung als sogen. „außergewöhnliche Belastung“ lehnt der Bundesfinanzhof in dieser Entscheidung klar ab.

Für andere Steuerarten, z.B. Umsatzsteuer oder Schenkungssteuer o.a., muss sich zur Abzugsfähigkeit der Verteidigungskosten von den Einkünften ebenfalls die vorgenannte „ausschließliche“ und „unmittelbare“ Veranlassung aus der „Einkünfteerzielung“ erklären lassen.

 

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Diese Veröffentlichung entspricht dem Stand per Februar 2014. Die darin enthaltenen Informationen sind mit großer Sorgfalt erarbeitet worden. Gleichwohl muss jegliche Haftung ausgeschlossen werden, denn sie können die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.

 

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